Seit 1995 ist Elmar Berchtel Teil der Stiftung Waldheim. Heute bringt er seine grosse Berufserfahrung in die Wohngruppe Venus im Wohnhaus Rehetobel ein. Über die Jahre hinweg hat er viele Entwicklungen begleitet und dabei die unterschiedlichsten Klientinnen und Klienten umsorgt und unterstützt. Anlässlich seines Jubiläums haben wir ihn zum Gespräch getroffen.
Wie startete dein Berufsweg bei der Stiftung Waldheim?
«Bevor ich zur Stiftung Waldheim kam, war ich acht Jahre lang als Lehrer tätig. Doch irgendwann merkte ich, dass dieser Beruf nicht das Richtige für mich war. In dieser Zeit lernte ich meine Frau kennen, die in Walzenhausen lebte.
Ihre Grossmutter brachte mich irgendwann auf die Idee, einmal bei derStiftung Waldheim vorbeizuschauen. Ich nahm mir zwei Wochen Zeit, umreinzuschauen und war von Anfang an beeindruckt. Besonders bewegt hatmich, wie die Klientinnen und Klienten die kleinen Gesten des Lebensgeschätzt haben, als wären es grosse Geschenke. Diese Erfahrung hat mich tief beeindruckt und meinen Entschluss gefestigt, hier ein neues berufliches Kapitel aufzuschlagen.»
Erinnerst du dich noch an deinen ersten Arbeitstag?
«An den allerersten Arbeitstag erinnere ich mich nicht mehr genau – aber sehr wohl an meinen ersten Einsatz. In unserer Wohngruppe lebte damals ein Mann im Rollstuhl, der sich kaum bewegen und nur mit einer einfachen Lautsprache kommunizieren konnte.Ich fragte mich, was er wohl überhaupt von der Aussenwelt mitbekam.
Eines Tages, als ich den Tisch fürs Essen deckte, fiel ein Trinkbecher zu Boden, und plötzlich lachte er laut los. In diesem Moment wurde mir klar: Er nimmt viel mehr wahr, als man auf den ersten Blick denkt. Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung verfügen nicht selten über eine grosse Feinfühligkeit, die oft unterschätzt wird.»
Worauf bist du in deiner Zeit bei uns besonders stolz?
«Stolz ist vielleicht nicht das richtige Wort – eher Freude und Dankbarkeit. In diesen 30 Jahren bei der Stiftung Waldheim gab es nie einen Unfall mit einem Klienten oder einer Klientin, und ich selbst war auch nie in einen verwickelt. Als gläubiger Mensch sehe ich es nicht nur als meine eigene Leistung, dass ich bislang davon verschont geblieben bin. Manchmal fühlt es sich an, als hätten wir in gewissen Momenten einen Schutzengel an der Seite.»
Was motiviert dich, auch nach 30 Jahren noch bei der Stiftung Waldheim zu arbeiten?
«Für mich ist das eine Art Geschenk. Die Arbeit mit den Klientinnen und Klienten macht mir jeden Tag viel Freude. Es ist etwas Besonderes zu erleben, wie man mit kleinen Dingen Grosses bewirken kann.
Positiv finde ich auch die Flexibilität innerhalb der Stiftung Waldheim: Wenn es für einen im Team oder auf der Wohngruppe einmal nicht mehr so passt, gibt es die Möglichkeit, die Gruppe oder sogar das Wohnhaus wechseln. So kann man bei der Arbeitgeberin bleiben und trotzdem neue Wege gehen. Das schätze ich sehr.Und nicht zuletzt empfinde ich auch den Jubiläumsurlaub als grosse Anerkennung. Alle fünf Jahre vier zusätzliche Ferienwochen zu erhalten, ist ein Zeichen der Wertschätzung. Insgesamt erlebe ich die Stiftung Waldheim als sehr verlässliche Arbeitgeberin, bei der ich mich bis heute wohlfühle.»
Gab es einen Moment im Alltag, der dir bis heute in Erinnerung geblieben ist?
«Einen einzigen klaren Moment könnte ich gar nicht nennen, dafür ist unsere Arbeit einfach zu vielseitig. Wir unterstützen die Klientinnen und Klienten nicht nur im Alltag, sondern dürfen sie auch in ganz unterschiedlichen Situationen begleiten: zur Reittherapie, auf gemeinsamen Spaziergängen, an besonderen Feiern und vieles mehr.
Ein besonderes Highlight für mich ist derzeit eine sommerliche Ausfahrt mit unseren E-TriBikes. Das mache ich unglaublich gerne, denn es macht sehr vielen Klientinnen oder Klienten grossen Spass. In solchen Momenten wird mir auch immer wieder bewusst, wie gross unser betreuerischer Freiraum ist, den wir individuell gestalten können – das macht unsere Arbeit so abwechslungsreich und erfüllend.Schön ist für mich auch, dass ich noch heute Klientinnen und Klienten treffe, die ich schon ganz am Anfang meiner Zeit bei der Stiftung betreut habe – wie zum Beispiel Antonietta Matarazzo, Maria Theres Zürcher oder Margot Alter. Solche Begegnungen zeigen mir, wie lange und vertrauensvoll die Beziehungen bei uns gepflegt werden.»
Was hat sich seit deinem Beginn am meisten verändert?
«Die grösste Veränderung war sicher die Digitalisierung. Als ich 1995 bei der Stiftung Waldheim anfing, hatten wir noch keine Computer – weder auf den Wohngruppen noch bei der Gruppenleitung. Um das Jahr 2000 wurden die ersten Computer eingeführt, und damit kam auch die Dokumentation. Bei dieser Umstellung habe ich viel mitgeholfen und einiges an Zeit investiert. Kurz darauf, 2001, folgten das Qualitätsmanagement und die regelmässigen Standortgespräche mit den Beiständen. Ich war dann ehrlich gesagt froh, als ich das Administrative wieder abgeben konnte, denn meine Leidenschaft gehört eindeutig dem täglichen Kontakt zu und der Verantwortung für Menschen.In der Begleitung der Klientinnen und Klienten hat sich eigentlich gar nicht so viel verändert. Abgesehen von modernen Hilfsmitteln, wie beispielsweise den elektrischen Hebevorrichtungen. Eine andere wichtige Veränderung betrifft das Atelier: Als ich begann, war dort nur eine Mitarbeiterin mit einem kleinen Pensum tätig. Heute sorgt ein mehrköpfiges Team dafür, dass die Klientinnen und Klienten einer passenden und sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen können. Dadurch erfährt der Alltag eine klare und bedeutsame Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten. Ich stelle immer fest, wie wichtig dies für viele Klientinnen und Klienten für ihr Selbstwertgefühl ist.»
Wenn du die Stiftung Waldheim in drei Worten beschreiben müsstest – welche wären das?
«Für mich ist die Stiftung Waldheim Heimat. Sie ist bodenständig und gleichzeitig offen, im Sinne von Weiterentwicklung.»
Hand aufs Herz: Wie fühlt es sich an, seit dreissig Jahren Teil der Stiftung Waldheim zu sein? Würdest du den Schritt jederzeit wieder machen?
«Ich bereue keinen Tag, denn ich habe mich an meinem Arbeitsplatz immer sehr wohlgefühlt. Und wenn es für mich irgendwann nicht mehr stimmte, konnte ich den Standort wechseln, genauso, wie ich das vorhin erwähnt habe. Nach acht Jahren in Rehetobel führte mich mein Weg für 13 Jahre nach Teufen. Heute bin ich wieder dort, wo alles begann: in Rehetobel. Ich war stets mit tollen Teams unterwegs und habe sehr gerne mit diesen Menschen zusammengearbeitet. Deshalb würde ich heute alles wieder genau gleich machen. Ich habe bei der Stiftung Waldheim auf meine Weise Karriere gemacht – nämlich dadurch, dass sich die mir anvertrauten Klientinnen und Klienten zuhause fühlen können und dass wir gemeinsam aus jedem Tag das Beste herausholen – in guten und in anspruchsvollen Zeiten.»
Worauf freust du dich in den kommenden Jahren?
Ich freue mich darauf, auch in den kommenden Jahren noch eine Stütze für mein Team und für die Klientinnen und Klienten auf meiner Gruppe zu sein. Natürlich merke ich, dass die Knochen nicht stärker werden, sondern eher ein wenig nachlassen. Deshalb besteht die Möglichkeit, dass ich mein Pensum nach und nach ein wenig reduziere. Trotzdem empfinde ich es als schönes Arbeiten, wenn mit zunehmendem Dienstalter so nach und nach der Ruhestand am Horizont sichtbar wird und man gleichzeitig sagen darf: Ich konnte meinen Teil beitragen und dafür sorgen, dass die Klientinnen und Klienten bei der Stiftung Waldheim glücklich sind.