Ein Gespräch mit dem zurücktretenden Vizepräsidenten des Stiftungsrates, Reto Moggi.

Es gibt Persönlichkeiten, die nicht laut auftreten müssen, um Spuren zu hinterlassen. Reto Moggi gehört zu diesen Menschen. Fast zwei Jahrzehnte lang hat er im Stiftungsrat der Stiftung Waldheim Verantwortung getragen, mit einem besonderen Blick für Infrastruktur, Bauprojekte – und für all das, was Räume zu einer Heimat macht. Wir treffen ihn zum Gespräch über Wandel, Weitblick und Momente, die hängen bleiben.

Reto, du blickst auf fast zwei Jahrzehnte im Stiftungsrat zurück: Welche Begegnungen oder Erlebnisse bleiben dir als besonders prägend in Erinnerung?

«Es waren immer die Begegnungen, die mir am meisten geblieben sind – Momente, in denen man spürt, dass unsere Arbeit Wirkung hat. Wenn Klientinnen und Klienten voller Stolz ihr neues Zimmer zeigen oder Mitarbeitende erzählen, wie sehr eine bauliche Anpassung ihren Alltag erleichtert hat, dann weiss man: Infrastruktur ist nicht nur Beton und Technik. Diese Rückmeldungen, oft ganz beiläufig, waren für mich prägende Erlebnisse.

Gleichzeitig war es mir immer wichtig, eine kluge Balance zwischen Ästhetik und Funktionalität zu finden. Architektinnen und Architekten bringen naturgemäss gerne gestalterische Ideen ein, was durchaus positiv sein kann. Meine Rolle war oft, ausgleichend zu wirken, die Funktionalität zu stärken und auch die finanziellen Aspekte im Blick zu behalten. Denn wir bewegen uns stets im Spannungsfeld zwischen der Schaffung eines qualitativ hochwertigen Lebensraumes und einem verantwortungsvollen Umgang mit den vorhandenen Mitteln.

Gerade bei der Aussengestaltung habe ich oft dafür plädiert, eher zurückhaltend zu planen: lieber das Notwendige umsetzen, dann Erfahrungen sammeln und erst danach gezielte Optimierungen vornehmen. Dieser Ansatz hat sich bewährt: Er schafft Raum für Entwicklung, ohne das Budget unnötig zu belasten.»

Du warst mehrheitlich für alle Belange im Bereich Infrastruktur und Bauprojekte zuständig. Welche baulichen Meilensteine stehen für dich stellvertretend für die Entwicklung der Stiftung?

«Für mich steht die Professionalisierung der Bauprozesse ganz oben. Zu Beginn war vieles von guter Intuition und Herzblut getragen, doch in den letzten Jahren hat sich daraus ein systematisches, nachhaltiges Vorgehen entwickelt. 

Ein Schlüsselmoment war für mich die bauliche Endphase des Wohnheims Schönenbüel, gleich zu Beginn meines Engagements vor fast 20 Jahren. Dort wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, dass die Sicht und die Bedürfnisse der Stiftung konsequent in die Planung und Umsetzung einfliessen. Viele zentrale Aspekte lagen damals in den Händen externer Projektpartner. Diese Tatsache hat mir gezeigt: Ein Bauprojekt muss in erster Linie intern geführt werden, damit wirklich alles zusammenpasst.

Diese Erkenntnis hat sich später bei den Neubauten der Wohnheime Krone und Sonne als enorm wertvoll erwiesen. Auch wenn es bedeutete, dass ich mich plötzlich um unzählige kleine Details kümmern musste, hat es die Projekte letztlich verbessert. Um die verschiedenen Perspektiven zusammenzubringen, haben wir für grössere Bauvorhaben jeweils eine Baukommission mit internen Fachbereichen etabliert. So konnten die Anforderungen, Anliegen sowie das Fachwissen gebündelt und in einen tragfähigen Konsens zusammengeführt werden.

Und es gab laufend Lerneffekte. Ich stellte früh fest, dass Lösungen, die in privaten Neubauten perfekt funktionieren, für ein Wohnhaus mit Pflege- und Betreuungsaufgaben schlicht nicht passen. Dazu gehört auch die Integration von technischen Innovationen, die nicht immer auf den ersten Blick geläufig sind, den Betrieb aber spürbar verbessern.»

Reto Moggi (zweiter von rechts) anlässlich des Spatenstichs für das Wohnhaus Sonne im Februar 2014.

Wie würdest du die Transformation der Stiftung in den letzten 20 Jahren beschreiben?

«Man muss heute unternehmerischer denken als noch vor 20 Jahren – das ist für mich eine der deutlichsten Entwicklungen. Der Handlungsrahmen ist komplexer geworden, die Erwartungen an Professionalität und Transparenz sind gestiegen. Gleichzeitig hat auch die Aufsicht durch den Kanton zugenommen, was grundsätzlich sinnvoll ist, aber natürlich zusätzliche Anforderungen mit sich bringt. Und nicht zuletzt schaut auch die Öffentlichkeit genauer hin, wie wir arbeiten, welche Entscheidungen wir treffen und wofür wir unsere Mittel einsetzen.


All das führt dazu, dass wir mehr denn je sinnvoll, nachhaltig und wirtschaftlich agieren müssen. Es reicht nicht, ein Projekt einfach gut umzusetzen. Gefragt sind solide Begründungen, nachvollziehbare Konzepte und eine sorgfältige Priorisierung.


Dennoch darf bei all diesen Überlegungen eines nie aus dem Blick geraten: das Wohlergehen der Klientinnen und Klienten. Sie sind der Kern jeder Entscheidung. Wenn es gelingt, unternehmerische Weitsicht, fachliche Verantwortung und echte Menschlichkeit zu verbinden, dann ist die Stiftung für die Zukunft bestens aufgestellt.»

Wie wichtig sind unterschiedliche Perspektiven im Stiftungsrat?

«Die Kompetenzvielfalt im Stiftungsrat ist eine echte Bereicherung. Unterschiedliche Perspektiven bringen neue Blickwinkel, andere Erfahrungen und manchmal auch überraschende Fragen an den Tisch. Genau das braucht es, wenn man Verantwortung für Menschen trägt, deren Lebensrealität vielfältig ist. Ich habe immer geschätzt, dass wir im Gremium offen und respektvoll diskutieren konnten. So entstehen Entscheidungen, die ausgewogen, durchdacht und im besten Sinne inklusiv sind. Davon profitieren letztlich nicht wir, sondern die Menschen, für die wir arbeiten.


Gleichzeitig ist klar: Als Stiftungsrat trägt man grundsätzlich für «alles» Verantwortung, auch wenn jeder seinen eigenen Schwerpunkt hat. Wichtig ist, dass man sich auf die Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen verlassen kann.

Das war in all diesen Jahren stets der Fall. Das Wissen, dass jede Kollegin und jeder Kollege aus dem Stiftungsrat absolut sattelfest in seinem persönlichen Dossier ist, war für mich entscheidend. In diesem Zusammenhang freut es mich besonders, dass wir mit Andreas Tenger sowohl fachlich als auch menschlich eine ideale Nachfolge für mich gefunden haben.»

Gab es ein Projekt, das dich persönlich besonders herausgefordert oder geprägt hat?

«Nun, jedes grössere Projekt hat seine eigene Dramaturgie.Eines, das mich besonders gefordert hat, war der Neubau des Wohnheims Sonne, bei dem wir unter laufendem Betrieb arbeiten mussten.

Während des Rückbaus des alten Gebäudes und des Neubaus waren die Klientinnen und Klienten in zwei zeitlich befristeten Provisorien in Heiden untergebracht. Das brachte einen Balanceakt zwischen Sicherheit, Alltagstauglichkeit und Zeitplan mit sich. Aber es war auch absolut bereichernd: Wir konnten sehr direkt erleben, wie wichtig gute Planung und ein kompetentes Fachteam sind. Und am Ende zu sehen, wie die Klientinnen und Klienten die neuen Räume oder das Therapiebad in Besitz nahmen, das war schon toll.»

Reto Moggi (zweite Person von links) am Lama-Trekking im Juni 2008.

Was hat dich persönlich motiviert, dich über so viele Jahre hinweg zu engagieren?

«Ich bin dabeigeblieben, weil ich das Gefühl hatte, dass ich etwas beitragen kann. Die Stiftung ist ein Ort, an dem Menschen nicht nur betreut, sondern wirklich begleitet werden – ein Ort, der Heimat schafft. Daran mitzuwirken, gerade über den Bereich Infrastruktur, hat mir immer Sinn und Freude gegeben.

Gleichzeitig hatte ich beruflich das Glück, auf eine starke Ausgangslage bauen zu können und viel erreichen zu dürfen. Irgendwann wächst daraus ganz automatisch der Wunsch, etwas zurückzugeben. Etwas, das man selbst erfahren hat, in eine Aufgabe einzubringen, die grösser ist als man selbst. Die Zusammenarbeit mit so vielen engagierten Menschen war dabei inspirierend, motivierend, lehrreich und oft auch einfach sehr schön für mich. Dieses gemeinsame Wirken hat mich über all die Jahre getragen.»

Und Hand aufs Herz: Gibt es eine humorvolle Anekdote aus deiner Stiftungsratszeit, die du mit uns teilen möchtest?

«Humor war im Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen immer ein wichtiger Begleiter. Er hat vieles leichter gemacht und oft dafür gesorgt, dass auch anspruchsvolle Themen ein menschliches Gesicht bekamen. Eine besondere Anekdote verbinde ich mit Erwin vom Gründerhaus. Während der Bauphase des Wohnheims Sonne brachte ich ihm regelmässig neue Baupläne vorbei, und er studierte sie mit einer Begeisterung, als würde er selbst am Reissbrett stehen. Mit der Zeit wurde er zu meinem inoffiziellen «Hilfsbauleiter» und fragte mich jedes Mal neugierig nach den neuesten Plänen, sobald ich vor Ort auftauchte. Diese Momente waren für uns beide herrlich.

Und dann denke ich gerne an Hanspeter Trümpler zurück, der es mit seinem Charme immer wieder schaffte, den Leuten Kugelschreiber zu entlocken. Bei ihm hatte ich das Gefühl, dass Schreibutensilien eine Art Währung waren. Es war jedes Mal eine Freude, ihn mit den neuesten Stiften zu versorgen und seinen Stolz über die neueste Errungenschaft zu sehen.»

Welche Wünsche gibst du den Mitarbeitenden und der Stiftung auf ihrem weiteren Weg mit?

«Ich wünsche der Stiftung, dass sie ihren Kern bewahrt: den Blick fürs Wesentliche, den Mut, sich weiterzuentwickeln und das Herz für die Menschen, die hier leben und arbeiten. Den Mitarbeitenden wünsche ich Leichtigkeit im Alltag, Freude an ihrer wichtigen Aufgabe und die Gewissheit, dass ihr Engagement einen grossen Mehrwert generiert. Wenn die Stiftung diesen Geist weiterträgt, bleibt sie für die Menschen das, was sie seit über 80 Jahren ist: eine liebevolle Heimat.»

Persönliches und beruflicher Hintergrund

Reto Moggi ist diplomierter Bau- und Umweltingenieur und ausgebildeter Mediator. Über 30 Jahre war er Inhaber und Geschäftsleiter eines Ingenieurunternehmens. Politisch aktiv war er von 1996 bis 2005 als Mitglied des Kantonsrates von Appenzell Ausserrhoden.

Rolle bei der Stiftung Waldheim

Seit Juni 2006 war er Mitglied des Stiftungsrats der Stiftung Waldheim und dabei unter anderem zuständig für die Bereiche «Bauliche Infrastruktur» und «Finanzen». Von 2016 bis 2025 fungierte er als Vizepräsident des Stiftungsrates.